28.05.2025

Siedlungscoaching – weil Immobilien mehr als nur Räume sind

Wie gelingt es, in grossen Siedlungen und gemischt genutzten Quartieren oder Arealen ein echtes Gemeinschaftsgefühl zu schaffen? Mit dem Konzept des Siedlungscoachings setzt Wincasa auf ein Instrument, das weit über klassisches Immobilienmanagement hinausgeht: Ziel ist es, Nachbarschaften zu stärken, das soziale Miteinander zu fördern und das Wohnumfeld aktiv mitzugestalten.

Corina Salomon, Leiterin Siedlungscoaching & Communities, erklärt, was hinter dem Ansatz steckt – und Karin Merian, Siedlungscoach mit Herzblut, berichtet aus dem Alltag vor Ort: zwischen Begegnung, Vermittlung und vielen kleinen Erfolgen. 

Was bedeutet Siedlungscoaching – in einem Satz? 

Corina: 

Siedlungscoaching bedeutet für uns, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mieterschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist ein Angebot, das gezielt auf die Entwicklung von Nachbarschaften einzahlt und eine Lücke im klassischen Immobilienmanagement schliesst. 

Karin: 

Siedlungscoaching fördert das nachbarschaftliche Zusammenleben – immer bedürfnisorientiert und partizipativ. 

Wie seid ihr beide zu diesem Thema gekommen? 

Corina: 

Mein beruflicher Hintergrund liegt in Marketing und Kommunikation. Bei Wincasa durfte ich das Real Estate Community Management für gemischt genutzte Areale aufbauen. Daraus entstand die Idee, ein ähnliches Angebot für Wohnsiedlungen zu entwickeln – das Siedlungscoaching. Beide Angebote verfolgen das Ziel, soziale Nachhaltigkeit zu stärken, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Für mich ist das Thema auch persönlich wichtig – ich wohne selbst in einem belebten, partizipativen Quartier in Bern und sehe täglich, wie wertvoll nachbarschaftlicher Austausch ist. 

Karin: 
Ich komme aus der soziokulturellen Animation und war viele Jahre in klassischen Arbeitsfeldern tätig – meist mit dem Fokus auf Kindern und Jugendlichen. Der methodische Ansatz hat sich nicht grundlegend verändert: Es geht nach wie vor darum, Menschen zu beteiligen, Begegnungen zu ermöglichen und soziale Prozesse zu begleiten. Was sich verändert hat, ist der Kontext. Statt in Jugendzentren oder ausserschulischen Projekten bewege ich mich heute in Wohnsiedlungen mit ganz unterschiedlichen Bewohnenden. Das lässt sich mit einer Gärtnerin vergleichen, die früher vor allem junge Pflanzen gepflegt hat und sich heute um einen vielfältigen, schon gewachsenen Garten kümmert – mit Wurzeln, Eigenheiten und ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. Die Freude an der Arbeit ist dieselbe geblieben. 

Warum ist Siedlungscoaching heute wichtiger denn je? 

Corina: 

Die Anforderungen an das Zusammenleben nehmen stetig zu – sei es durch verdichtetes Bauen, eine zunehmend vielfältige Mieterschaft oder moderne Neubauprojekte, die im Betrieb oft noch unbelebt wirken. Hinzu kommen bauliche Veränderungen wie Sanierungen oder Neustrukturierungen, die das soziale Gefüge in einer Siedlung herausfordern. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an die soziale Nachhaltigkeit von Immobilien – insbesondere im Hinblick auf das „S“ in ESG. Genau hier setzt das Siedlungscoaching an: Es schafft strukturelle Voraussetzungen für ein gutes Miteinander und trägt dazu bei, Entwicklungen im Wohnumfeld sozial verträglich zu gestalten und die Lebensqualität langfristig zu erhöhen. 

Karin: 

Was im Alltag vieler Menschen zählt, sind nicht nur bauliche Strukturen, sondern zwischenmenschliche Begegnungen. In verdichteten und durchmischten Siedlungen treffen unterschiedliche Lebensrealitäten aufeinander. Viele Menschen wohnen nicht ganz freiwillig dort, wo sie sind, sondern weil es ihre Lebensumstände so erfordern. Aber wohnen muss man – und genau deshalb ist es wichtig, diesen Ort so lebenswert wie möglich zu gestalten. Siedlungscoaching ermöglicht Beteiligung auf freiwilliger Basis, schafft Vertrauen und fördert das Empowerment der Mieterschaft. Wenn Menschen sich einbringen können, steigt ihre Identifikation mit dem Ort, und sie übernehmen eher Verantwortung für ihr direktes Umfeld. 

 

Corina Salomon ist seit 2019 für Wincasa tätig. Nach ihrem Einstieg als Content Managerin mit Fokus auf Social Media und digitalen Kommunikationskanälen im Center Management, entwickelte sie sich zur Spezialistin für Real Estate Community Management weiter. In dieser Rolle verbindet sie Menschen, belebt Flächen und fördert eine positive Nachbarschaftsentwicklung sowohl in Wohnliegenschaften als auch auf gemischtgenutzten Arealen. Seit 2025 verantwortet sie zudem den Bereich Siedlungscoaching, bei dem Wincasa als erster Immobiliendienstleister in der Schweiz gemeinschaftsfördernde Angebote entwickelt und dadurch die soziale Nachhaltigkeit spürbar fördert. 

 

Welches Ziel verfolgt Wincasa mit dem Angebot des Siedlungscoaching? 

Corina: 

Ziel des Siedlungscoachings ist es, das soziale Miteinander in Wohnsiedlungen gezielt zu fördern – dort, wo oft keine Angebote für Nachbarschaftsentwicklung bestehen. Gemeinden oder kirchliche Organisationen engagieren sich in diesem Bereich punktuell, von Seiten der Immobilienbewirtschaftung passiert jedoch meist wenig. Genau hier setzen wir an: Wir schliessen diese Lücke, indem wir zusätzliche personelle Ressourcen bereitstellen, den direkten Austausch mit der Mieterschaft suchen und die Kommunikation innerhalb der Siedlung verbessern. Damit unterstützen wir auch die Bewirtschaftung vor Ort und tragen zu mehr Stabilität und Zufriedenheit bei. 

Für welche Arten von Siedlungen oder Arealen eignet sich Siedlungscoaching besonders? 

Corina: 

Für Wohnüberbauungen mit mehr als 50 Einheiten, die wenig belebt wirken, für gemischt genutzte Areale mit hohem Wohnanteil oder für Liegenschaften mit erhöhtem Konfliktpotenzial. Auch bei Sanierungsprojekten oder sinkender Mieterzufriedenheit ist Siedlungscoaching eine sinnvolle Ergänzung. 

Welche konkreten Vorteile haben die Eigentümer von grossen Liegenschaften oder Arealen durch ein funktionierendes Siedlungscoaching? 

Corina: 

Eine höhere Mieterzufriedenheit senkt Leerstände und Fluktuation. Standorte mit lebendiger Nachbarschaft lassen sich besser vermarkten, das Image der Liegenschaft verbessert sich – und auch im ESG-Kontext zahlt ein solches Angebot positiv auf die soziale Nachhaltigkeit ein. Nicht zuletzt kann so auch negativen Entwicklungen frühzeitig entgegengewirkt werden. 

Was macht ein Siedlungscoach konkret – wie sieht der Alltag aus? 

Karin:  

Am Anfang steht der Beziehungsaufbau – zu den Mietenden und zur Immobilie selbst. Jede Siedlung ist anders, deshalb führe ich Begehungen durch, kläre Bedürfnisse ab und suche das Gespräch mit den Menschen vor Ort. Ergänzend setze ich auf niederschwellige Formate wie ein Treffen zu Kaffee und Gipfeli oder digitale Umfragen. Die Mietenden erkennen rasch, wer für welche Themen zuständig ist – ob es um technische Fragen oder gemeinschaftliche Anliegen geht. Wichtig ist: Ich arbeite eng mit der Bewirtschaftung zusammen – ergänzend, nicht parallel – und konzentriere mich ganz auf das soziale Miteinander. 

 

Karin Merian ist seit 2025 als erste Siedlungscoach für Wincasa im Einsatz. Sie hat soziokulturelle Animation studiert und bringt über 20 Jahre Erfahrung in der soziokulturellen Arbeit mit Jugendlichen mit – viele Projekte hat sie von Grund auf aufgebaut. Auch ihre siebenjährige Auslandserfahrung prägt ihren ganzheitlichen Blick auf Gemeinschaft, Teilhabe und kulturelle Vielfalt. Als Coach begleitet sie heute Mieterinnen und Mieter in unterschiedlichsten Lebenssituationen mit viel Gespür, Offenheit und Engagement. 

 

Welche Rolle spielt die persönliche Präsenz vor Ort? 

Karin: 

Die persönliche Präsenz vor Ort ist zentral. Nur wenn ich sichtbar bin, kann ich als vertrauenswürdige und zugängliche Ansprechperson wahrgenommen werden. In der Startphase bin ich meist alle zwei Wochen in der Siedlung, später passt sich der Rhythmus dem Bedarf und natürlich dem gebuchten Pensum an. Die Ansprache ist bewusst niederschwellig – ein Beispiel dafür sind handbeschriftete Briefe, die ich in einer Liegenschaft selbst in die über 80 Briefkästen verteilt habe. So werde ich vor Ort gesehen, angesprochen und kann unkompliziert mit den Menschen in Kontakt treten. 

Gab es eine Begegnung oder Situation, die besonders in Erinnerung bleibt? 

Karin: 

Ja – eine Mieterin hat mich an eben diesen Briefkästen angesprochen und dann spontan zu sich in die Wohnung eingeladen. Sie wollte mir zeigen, was sie alles selbst in der Wohnung gemacht hat – und auch, wo sie sich mehr Tempo von Wincasa wünscht. Solche Einblicke sind wertvoll, um beide Seiten besser zu verstehen. 

Welche Rückmeldungen erhaltet ihr aus der Bewohnerschaft? 

Karin: 

Die Rückmeldungen aus der Bewohnerschaft sind bisher durchweg positiv. Es wird geschätzt, dass jemand ansprechbar ist und sich Zeit nimmt. Viele Rückmeldungen sind motivierend und zeigen, dass unser Ansatz als sinnvoll empfunden wird. 

Welche Unterschiede siehst du beim Siedlungscoaching für Wincasa im Vergleich zum Siedlungscoaching für eine Genossenschaft? 

Karin: 

Der grösste Unterschied liegt wohl im Kontext: Wincasa arbeitet für renditeorientierte Eigentümerschaften, Genossenschaften sind gemeinwohlorientiert. Das sind andere Anforderungen. Aber ich sehe den Willen: Wincasa investiert in Menschen mit sozialem Know-how. Wichtig ist, dass beide Seiten voneinander lernen – die Bewirtschaftung von der Soziokultur, und umgekehrt. 

Wann habt ihr mit eurer Arbeit etwas bewirkt – für die Siedlung und die Menschen, die dort leben? 

Karin: 

Wenn ich vermitteln konnte, ohne Partei zu ergreifen. Wenn ich erlebt habe, wie Menschen Verantwortung übernehmen und sich engagieren – aber auch, wenn ich akzeptiere, dass nicht alle mitmachen möchten. Es geht darum, Räume zu schaffen, in denen Beteiligung möglich ist, aber nicht erzwungen wird. 

Corina: 

Wenn sich sowohl Mietende als auch die Eigentümerschaft über den Effekt freuen: weniger Fluktuation, weniger Konflikte, mehr Miteinander. Besonders schön ist es, wenn Mietende sagen, dass sie dank des Coachings noch lieber in ihrer Siedlung wohnen. Dann wissen wir: Unsere Arbeit wirkt. 

 

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